Perlen   und   Seide

Licht      Farben     Glas

Geschichte des Glases 

von A. Tintschl-Körbitzer                               Januar 2019

Es ist nicht leicht, diesem umfangreichen Thema in einer Kurzfassung gerecht zu werden. Viel Interessantes musste ausgelassen werden. Glas als Werkstoff war lange Zeit ein Luxusgut, bis es mit der Mechanisierung des Glasblasens und der Herstellung von Flach- und Röhrenglas, als Massenware zur Verfügung stand - künstlerisch gestaltetes Glas davon ausgenommen. Die Trennung von Massenware und Kunstglas (Vasen, Perlen) erfolgte in der Epoche des Jugendstiles.

Die Glasherstellung unterlag immer auch den sozialen und politischen Verhältnissen, dem Zugang zu den Rohstoffe, den Zusätzen (Farbe/Glaseigenschaften) und dem Wissen der Glastechnik. Interessant ist, dass die Weiterentwicklung, von den Ursprüngen der Schmuckverwendung zur Verwendung des Glases in der Wissenschaft (Chemie- Glasflaschen; Physik- Linsen; Quarzglas u.a.), nur in Europa, später auch in den USA, stattfand.

 Glas, ein Werkstoff der die Menschheit begleitet                                                                                          

Zuerst wurde Glas, als natürlich vorliegender Rohstoff, von den Menschen als Werkstoff für Werkzeuge, Waffen und Schmuck geschätzt. Natürliche Vorkommen sind Obsidian (vulkanischer Ursprung), Fulgurit (Blitzeinschlag) und Tektite (Meteoriteneinschlag).

ca. 4000 v. Chr.       Das erste – von Menschen hergestellte - Glas fand sich in Ägypten und Mesopotamien                                             als Nebenprodukt der Töpferei und der Metallschmelze. Die ersten Glasperlen entstanden.

 Um 3500 v. Chr.     Erste nachweisbare Glashütten in Ägypten. (Pi-Ramesse: Rotglas, Amarna:kobaltblaues Glas).                                 Die ägyptischen Glasmacher stellten Glas selbst her (Primär Glashütten). Sie verwendeten                                       aber auch importierte Glasbarren aus Mesopotamien, die sie vor Ort verfeinerten.

 1600 v. Chr.             Die sogenannte „Sandkern-Technik“ wurde zur Herstellung von kleinen Glasfläschchen                                             (ca. 10cm Größe) eingesetzt.

700 v. Chr.               Das älteste überlieferte Glasrezept befindet sich in der Tontafel-Bibliothek des                                  assyrischen Königs Assubanipal: "Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen,                                   5 Teile Kreide – und Du erhältst Glas."

Von Ägypten/Mesopotamien verbreitete sich die Kunst der Glasherstellung über die gesamte östliche Mittelmeerküste (Palästina und Syrien wurden zu Glaszentren) und Europa.

750 v. Chr.               In Mitteleuropa wurde Glas während der Bronze- und Eisenzeit von den Kelten verarbeitet -                                 meist zu Glasperlen (Schichtaugen-perlen u.a.) und zu Glasarmringen. Sie kannten die                                 Möglichkeit das Glas zu entfärben und stellten Glasarmringe mit Goldauflage her.

Das Wissen und die Techniken der Glasherstellung gelangten über Handelswege bis nach Indien, China und Japan.

500 v. Chr.               Glasperlenfunde in China (polychrome Augenperlen).

330 v. Chr.               Alexander der Große eroberte Ägypten/Syrien und siedelte die Glasindustrie in seiner neuen                                     Stadt Alexandria an, die dann zum Glaszentrum der antiken Welt wurde.

 100 v. Chr.              Die Glasmacherpfeife wurde im syrischen Mittelmeerraum erfunden, der inzwischen dem                                           Römischen Reich eingegliedert war. Neue Möglichkeiten der Glasgefäßherstellung                                                    eröffneten sich.

Plinius der Ältere beschrieb in seiner „Naturalis Historia“ die Zusammensetzung und die Herstellung von Glas.         Das Wissen der Glastechniken wurde im gesamten Römischen Reich verbreitet.

100 n. Chr.              Erste Glashütten wurden in Köln und Trier gegründet.

330 n. Chr.              Kaiser Konstatin verlegte seine Residenz nach Byzanz und gab ihr den Namen Konstantinopel.                                 Viele Kunsthandwerker folgten ihm nach „Ost-Rom“.

400 n. Chr.              Durch den Untergang des Weströmischen Reiches gerieten viele hochentwickelte                                                   Glastechniken in Vergessenheit: die vollständige Entfärbung der Glasmasse, die Herstellung                                    von sehr dünnwandigen und extravagant gefärbten Gefäßen, die Belegung von Spiegeln,                                         die  Herstellung kleiner Glasfenster. Der hohe Stand der Glasveredelung (Diatretgläser) wurde                                  nicht mehr erreicht.

In Ägypten, Syrien und Konstantinopel lebten die Traditionen der Glaskunst und die Glasproduktion weiter.

500 n. Chr.               Die Veneter siedelten sich in der Lagune des heutigen Venedigs an. Die Siedlung galt                                                als Außenposten des oströmischen Kaiserreiches gegen die Langobarden.

591 n. Chr.              Erste Erwähnung eines Kirchenfensters aus Glas durch Gregor von Tour (fränkischer                                                Historiker).

640 n. Chr.              Eroberung des Vorderen Orients durch muslimische Araber.                                                                      Weiterführung der Glaswerkstätten (Islamische Glaskunst).

800 n. Chr.               Die Herstellung von Glas hatte sich zu einem klerikalen Glasmonopol in Europa entwickelt, da                                 die Kirchen Hauptkunden des Luxusgutes wurden (Kirchenfenster u.a.). Viele Glashütten                                           gehörten einem Kloster an.

Aber auch im nicht christianisierten Teil Europas (Wikinger u.a.) wurde weiterhin Glas verarbeitet. Vielfarbige Glasperlen erfreuten sich großer Beliebtheit - sie waren zugleich Luxusgut und Geldanlage.

Die Glasproduktion nördlich der Alpen änderte sich nach dem Abzug der Römer. Die alten Bezugsquellen, die über die Handelswege der Römer für Rohstoffe und Glasbarren erreichbar waren, standen nicht mehr zur Verfügung.

Es erschien Kali-Glas (Waldglas), bei dem zur Herstellung einheimische Pottasche (Buchenasche, Farnasche) verwendet wurde. Auch kommt es zu einer Abkehr von der luxuriösen römisch/ägyptischen Verarbeitung hin zu einfachen Gebrauchsgläsern.

Bis ins 10. Jh. scheint profanes Glas in Europa nur in so geringen Mengen produziert worden zu sein, dass es aus dieser Zeit kaum Fundstücke gibt.

1100                          Anfänge der Glasmalerei im Dom zu Augsburg, Reims, Paris (St. Denis).

1202                          Kreuzfahrer zerteilten das byzantinische Herrschaftsgebiet. Die Rolle als wichtigstes                                                  Handelszentrum des Mittelmeers ging an italienische Hafenstädte, insbesondere Venedig,                                   über.

1291                         Glashütten und glasverarbeitende Betriebe Venedigs wurden auf die Insel Murano verlegt.

1300                         Roger Bucon entwickelte ein Vergrößerungsglas auf Grund einer Schrift „Schatz der Optik                                  eines arabischen Gelehrten Abu Ali al-Hasan Ibn Al-Haitham aus dem 11. Jahrhundert.


1373                         Die erste Zunft der Glasmacher wurde in Nürnberg gegründet. Sie fertigten auch Spiegelglas.                                    Aus dem Böhmerwald wurden erste Glashütten nachgewiesen.

Wanderglashütten waren nördlich der Alpen üblich.                                                                                              Glashütten benötigen für ihren Betrieb große Mengen an Holz. Deshalb waren sie gezwungen oft ihre Produktionsstätten zu wechseln, sobald der Nachschub an Rohstoffen (Buchen) fehlte. Durch die immer wieder wechselnde Qualität der Ausgangsstoffe gelang es nicht, ein gleich-bleibendes Glas herzustellen.

1400                          Erste Glasfenster wurden in deutschen Wohnhäusern beschrieben.

1453                         Byzanz wurde von den Osmanen erobert.                                                                                                                     Die syrische und ägyptische Glasindustrie wurde zerstört.                                                           

Die glastechnologischen Kenntnisse gingen von Byzanz auf Venedig über.

1500                         Venedigs Glasproduktionsstätten stellten erstmals farbloses Glas her (Cristallo).

1516                         Die Brüder Danzola del Gallo in Venedig entwickelten flache Spiegel aus Glas und                                                   beantragen: "...das Privileg für 25 Jahre zur Herstellung von vollkommene Spiegel aus                                             Kristallglas.“

Diese Technik war zu dieser Zeit in der ganzen Welt unbekannt, außer in einer Fabrik in Nürnberg, die zusammen mit einer flämischen Fabrik, das Monopol der Herstellung hatte.

Blütezeit der venezianischen Glasproduktion. Durch gleichbleibende Rohstoffquellen zur Glasgewinnung konnte dauerhaft eine hohe Qualität der Gläser erreicht werden. Damit sicherte sich Murano ein Monopol als Glashersteller.

1550                          Erste Brillen für Kurzsichtige fanden Verwendung.

                                  Das erste Thermometer wurde hergestellt.

1557                          Georgius Agricola (Georg Bauer) beschrieb Glasschmelzöfen und Gerätschaften in                                                seiner  „De re metallica libri XII".

1600                          Hans Lipperhey, ein deutsch-niederländischer Brillenmacher, erfand das Fernrohr.

1609                          Galilei erfuhr von der Erfindung und baute aus käuflichen Linsen ein Gerät mit ungefähr                                         33facher Vergrößerung.

1607                          Erste Glashütte in Amerika.

1635                          Erste Glashütte in Russland.

1665                          Ein neuartiges Tischwalzverfahren zur Herstellung von Spiegeln wurde in Frankreich                                                (Saint-Gobian) entwickelt.

1679                          Johann Kunckel verfasste sein Werk "Ars vitraria experimentalis", das sich zu einem ersten                                   Ratgeber für Glastechniker bis ins 19. Jh. entwickelte. Berühmter jedoch wurde J.Kunckel                                         durch die Herstellung eines Rubinglases unter Verwendung von Gold.

1683                          Böhmisches Kristallglas wurde in Form von Kreideglas erfunden. Es eignete sich besonders                                     gut zum Glasschnitt. Böhmisches Schliffglas wurde  zur Konkurrenz des Muranoglas.

1686                          Erste Ätzungen mit Flusssäure gelangen.

1764                         Natriumsulfat wurde zur Glasherstellung eingesetzt, es diente als Flussmittel, damit das                                            geschmolzene Glas dünnflüssiger wird und die Blasen- und Schaumbildung vermieden wird.

Steinkohle ersetzte das Holz, das  zur Befeuerung eingesetzt wurde.

1782                          Das Wedgewood-Pyrometer wurde entwickelt. Mit ihm konnten hohe Temperaturen, wie sie in                                   der Porzellan-, Metall- oder Glasindustrie vorkommen, gemessen werden.

1797                          Napoleon eroberte Venedig, Niedergang des venezianischen Glaskunsthandwerks.

1805                          Entwicklung optischer Gläser durch P.L. Guinand, Joseph von Utzschneider und                                                         Joseph von Fraunhofer.

1839                          Die erste Schmelze von reinem Siliziumdioxid (SiO 2) zu Quarzglas gelang.

1846                         Carl Zeiss eröffnete in Jena seine feinmechanisch-optische Werkstatt. Erste Mikroskope aus                                      seiner Produktion kamen auf dem Markt

1851                        Weltausstellung in London. Der Kristallpalast, der aus 270 000 Streckglasscheiben konstruiert                                   war, erstaunte die Besucher.

1856                         Friedrich Siemens entwickelte den ersten Glasofen mit Regenerativfeuerung.

1859                         Die erste halbautomatische Flaschenblasmaschine wurde in Betrieb genommen

1865                         Der Chemiker Ernest Solvay erfand künstliches Soda. Damit wurde eine gleichbleibende                                            Qualität des Flussmittels gewährleistet.

1866                         War bisher jedes Zeiss-Mikroskop mit seinem Linsensatz ein Unikat, so gelang in der                                                Zusammenarbeit mit Ernst Abbe eine Standardisierung.

1866                         Venedig trat dem neu gegründeten Staat Italien bei.                                                                                                     Abt Zanetti, zusammen mit den Gebrüder Toso, belebten das Glasgeschäft neu, nach alten                                        Vorbildern.

1867                          Bau einer Gasanstalt in Lauscha. Durch die Verlegung von Gasleitungen zu den Werkstätten                                     wurde die Produktion, der in Heimarbeit gefertigten Glasobjekte gefördert.

1883                         In Jena wurden die Glaswerke für optische Spezialgläser von Ernst Abbe, Otto Schott und                                        Carl  Zeiss gegründet, um eine gleichbleibende Qualität des Glases zu garantieren.

1887                        Otto Schott entwickelte das erste Borosilikatglas.

1890 -1915               Epoche des Jugendstils: Sie brachte nicht nur im industriellen und wissenschaftlich                                                   genutztem Umfeld neue Entwicklungen des Werkstoffes Glas sondern auch im künstlerischen                                  Bereich: Glas-Künstler wie E. Gallé, R. J. Lalique (Frankreich) experimentierten mit                                         neuen Techniken der Glasbläserkunst (Marmorierungen, Reflexe, mehrere Glasschichten                                       übereinander, Einschmelzungen von Gold- und Silberfolien, Blasenbildungen, überfangene                                        Gläser mit Pulver- Oxyd- und Metallfolien-Einschmelzungen, farbige Glaspasten und Emaille                                     Satinierungen, Gravuren).

Neue Gläser entstanden wie opalines Glas, oder das Bleu electrique, ein wirklich schwarzes Glas.

In Deutschland, hier vor allem im Thüringer Wald, wurde „vor der Lampe“ Glas verarbeitet. So entstanden in Heimarbeit Perlen, Spielzeug und Christbaumschmuck. Daraus entwickelte sich die Herstellung von Glasaugen, die als Augenprothese verwendet wurden (Entwicklung eines Kryolith Glases).

In Österreich (Böhmen) wurden die Glashütten in Lötz und Gablonz Glasschliff, Emailmalerei und Lüsterüberfängen (metallisch schimmernde Oberfläche) berühmt.

In Venedig hatte sich die „Antica Vetreria" vor 1900 auf traditionelle Leuchter spezialisiert, so verbinden Glassammler den Namen Murano vornehmlich mit zierlichen Vasen, kleinen Henkelkrügen und Schalen mit bunten eingewalzten Murrini im Millefiori-Dekor.

In den USA entwarf Louis C. Tiffany seine berühmten Leuchten, daneben auch Mosaike und Fenster. Er stellte auch die ersten irisierender Gläser her.

1902                        Emile Fourcoult erfand das sog. Fourcoult Verfahren zur Herstellung von Fenstergläsern.

1903                        Ultraviolett-durchlässiges Uviolglas wurde von Eberhard Zschimmer erfunden.

                                Michael Joseph Owens entwickelte die erste vollautomatische Flaschenglasmaschine.

1904                        Das erste Patent auf Verbundsicherheitsglas wurde erteilt.

1912                        E. Danner entwickelte in den USA das erste kontinuierliche                                                               Röhrenziehverfahren (Libbey Glass Company).

1923                        Pilkington und Ford setzten ein kontinuierliches Guss-Walz-Verfahren zur Flachglasherstellung                                 ein.

Die Idee, Glas auf Metallschmelzen herzustellen, wurde schon Mitte des vorigen Jahrhunderts von Henry Bessemer vorgeschlagen. Bis heute wird flüssiges Zinn verwendet.

1953                         Erste temperaturstabile Glaskeramiken wurden von den „Corning Glassworks“ entwickelt.

1960                         Weiterentwicklung und Anwendung des Floatprozesses zur Herstellung von Flachglas, durch                                    die Pilkington Brothers.

1970                        Geburtsstunde der Glasfaser aus hochreinem Quarzglas für die optische Nachrichten-                                               übertragung (Corning Inc.).

1992                         Erster “Touchscreen” für das IBM Handy aus Gorilla-Glas (Corning Inc.).

2001                         Erste kontinuierliche Schmelze von Phosphatglas für die Laserfusionstechnologie.

2015                        Ultradünnes Glas mit 25µm Dicke wird hergestellt.

Glas, ist ein vielseitig verwendetes Material, das aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken ist. In Forschung und Wissenschaft, Ernährungs- und Getränkeindustrie, Kraftfahrzeugindustrie, Elektronikindustrie, im Haushalt, in der Architektur und nicht zuletzt im künstlerischen Bereich kommt es zur Anwendung.

Und die Entwicklungen gehen weiter…

 


Quellen:

anorganik.chemie.vias.org

www.bvglas.de

www.fratellitoso.it

www.glasmuseum.lauscha.de

www.jugendstilvasen.de 

www.spiegel-info.de

www.wikipedia.org

Scibilia M. and N., 2007, comprehensive guide to the island of Murano, Ponzano/Treviso, Vianello Libri

Macfarlane A., Martin G., 2002, Eine Welt aus Glas, Eine Kulturgeschichte, Deutsche Ausgabe 2004, <Ullstein Buchverlage GmbH

Wedepohl K. H., 2003, Glas in Antike und Mittelalter, Geschichte eines Werkstoffes, Stuttgart, Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung   

Pfaender H. G., 1997, Schott Glaslexikon, 5. Auflage, Landsberg am Lech, mvg-verlag im verlag moderne industrie AG

Schaeffer H. A. et al, 2012, Glastechnik Band 1, Werkstoff Glas, München, Deutsches Museum Verlag